Wintersdorf.  Ganz im Westen Badens.

Zwischen Rastatt und dem Rhein

Rastatt, die Stadt der badischen Revolution, liegt günstig im nördlichen Mittelbaden.  Von hier führen gleich zwei Hauptbahnen nach Karlsruhe; neben der alten großherzoglich badischen Rheintalbahn gibt es seit 1895 die strategische Bahn über Durmersheim Richtung (ehemalige) Hauptstadt.

Der gewonnene Krieg gegen Frankreich 1871 und die Verwaltung der Reichslande Elsaß-Lothringen hatte bald zum Bau der vom Reich bezahlten strategischen Bahn geführt, die von Mannheim über Blankenloch - Karlsruhe - Durmersheim - Rastatt zum Rhein bei Wintersdorf führt, diesen mittels großer Brücke quert, bei Roppenheim die Westrheinbahn berührt, in Roeschwoog kreuzungsfrei ausfädelt und südlich von Hagenau ebenfalls kreuzungsfrei in bestehende Strecken übergeht.  Wie so vielen strategischen, abseitigen Strecken, war auch ihr Schicksal später vorgezeichnet.  Zunächst freilich war sie für höherwertigen Verkehr vorgesehen, so manches D-Zug-Paar verkehrte hier planmäßig  (Karlsruhe-Dijon, Berlin-Straßburg, Luxemburg-Nürnberg). Neue/alte Grenze führte 1922 zur Anlage eines großen Zoll- und Rangierbahnhofs Wintersdorf (14 Gleise). 1939 von den Franzosen gesprengt, 1942 wieder befahren, 1944 von der Wehrmacht (samt der großen Fortifikationstürme) gesprengt wurde sie bis 1948 erneut aufgebaut und ab Mai 1949 je hälftig für Bahn und Straße genutzt.  Nun nur noch Nebenbahn (zweites Gleis als Reparation abgebaut), endete der Personenverkehr Rastatt-Wintersdorf am 7.10.1950.  Ab 1960 konnte der Straßenverkehr zweibahnig laufen, die Rillenschienen waren überteert worden.  Jedoch ist von ihrer militärischen (Reserve-) Bedeutung für NATO-Zwecke zu berichten, auch für Umleiterverkehr hatte sie sich nützlich machen können.  Die Gegenwart sieht eine schleichende Verwucherung, Nichtbefahrbarkeit und wohl den zukünftigen Abbau.

Der Rheinbrücke selbst, von der Landstraße mitgenutzt, könnte bei größerer Reparaturbedürftigkeit gar der Abbau (zumindest die Sperrung) drohen, gibt es doch unweit südlich mit der B500 einen günstigen und vielbenutzten Grenzübergang mit Rheinbrücke.

Kleiner Bilderbogen des Jahres 2004:

Noch immer existiert am Südrand der alten Festungsstadt ein Bahnübergang mit der Fernstraße 36 auch nach deren Begradigung.  Unweit befand sich ein großer Übergabebahnhof des ausgedehnten MEG-Netzes (mehr i.V.); heute zweigt hier ein Werksgleis zum recht neuen großen Mercedes-Pkw-Werk (Elchproduktion, SWR-Festival...) ab.  Der weitere Gleisverlauf ist seit 1999 stillgelegt, war 2004 aber noch gut zu dokumentieren.  Nahe Rastatt/Baden-Baden liegt Iffezheim.  Ja, das Iffezheim.  Großer Preis von Baden sagt zumindest Wettfreunden etwas: hier liegt die berühmte Pferderennbahn.  Klar, dass sie von der nahen strategischen Wintersdorfer Strecke eine Stichbahn abbekommen hatte; diese erhielt nördlich des Rennplatzes einen Bahnhof, welcher umgebaut noch als solcher erkennbar ist:

Abzweig ex französ.Militär  Au revoir! (2004) Verwachsen: 2008
Trasse auch als Abstellort für alte Rungenwagen Stellwerk- -ruine, je 2008 (Bilder [4]: Heiko Frey)
Alter Bahnhof Rennplatz

 

Der umfangreiche Kiesabbau im gesamten Rheingraben hatte hier Anfang der 1980er zu einem Modellversuch geführt, bei dem Kiesganzzüge auf die Reise über Rastatt und die Murgtalbahn (!) über den Schwarzwald gen Stuttgart geschickt worden waren.  Am alten Bahnhof und Stellwerk Wintersdorf lässt sich die einstige Streckenbedeutung ablesen:

Kiesverladung auch Geschichte Alter Bahnhof Wintersdorf und Stellwerk

Der hohe Bahndamm hatte Wegdurchlässe erfordert, wovon einer höhergelegt werden musste, im Bedarfsfall aber Militärzügen den Vortritt gelassen hätte...

Bemerkenswerte Durchfahrts-Erhöhung Zweigleisigkeit Vergangenheit

Bei den filigranen Vorlandbrücken (1975 auf badischer Seite teilweise zu Damm umgestaltet) zeigen sich Kriegsspuren:  die Wehrmachtssprengung 1944 ist an Überbauabrutschschleifspuren im Widerlager zu erkennen, ebenso an vielen herumliegenden Trümmern und Hilfsstützen.  Wieviele NATO-Transporte bis zum Sieg über NVA/WP-Truppen hier hinübergerollt wären?

Nachträglich verstärkte Widerlager Sprengabrutschspuren Hilfsstütze; viele Ruinenbrocken liegend

Die Rheinbrücke Wintersdorf / Roppenheim war nach dem 2.Weltkrieg auch für den Straßenverkehr wiedereröffnet worden; ursprünglich mussten sich beide Verkehrsträger je eine Hälfte teilen, bis eine Asphaltierung dieses Nadelöhr aufweitete.  Noch heute liegen die Schienen im Straßenplanum; das zweite Gleis hätte im Krisenfall innerhalb von 48 Stunden wieder angebunden werden können.

Straße erklimmt den Bahndamm, und schleift die Gleise blank
Ästhetik auch unter Oxidation Elsässische Seite:  fast eine Fortifikation

 

Parallel zur D.87  finden sich schöne Durchlässe... ...gesperrte ehem.Straßenunterführungen...
...und später errichtete Querungen  (2004)

Verkehrsrelikte.de tritt nachdrücklich für die Erhaltung dieses Rheinübergangs ein!

Zurück in Rastatt kann vom Abbau einer Kaserne (ehemalige Leopold-Feste), dem Neubau eines Wohngebiets und natürlich von der Konversion des langjährigen Anschlussgleises berichtet werden.  Der Güterzug im Hintergrund strebt über das Reststück der Wintersdorfer "Strategischen" den Rheintal-Hauptbahnen zu und kommt aus dem Rastatter Mercedes-PKW-Werk.

Schienenreste im Einschnitt, dann Kunst in Form von Rasenkantensteinen An der ehem. Verzweigung (2006)

 

Trassenverlegungen

In der nahen Umgebung der alten Festungs- und Residenzstadt Rastatt ist von zwei Streckenverlegungen zu berichten:  als die strategische Bahn aus Karlsruhe - Durmersheim gen Rhein Wintersdorf 1895 zur Ausführung kam, wurde der Bahnhof Rastatt etwas nordwestlicher neu errichtet und die alte badische Hauptbahn von 1844 auf etwa 7km Länge verlegt wobei sie nunmehr im Stadtgebiet gebündelt die neue Murgbrücke mitbenutzte.  Die alte Kurve ist fast vollständig verschwunden: lebt im Gewerbegebiet eine "Alte Bahnhofstraße", führte die Trasse parallel zur Murgtalbahn, überbrückte im Gegensatz zu ihr die Landstraße und schwenkte etwa an der heutigen Autobahnbrücke nach Süden, querte die Murg am Gehöft "Herrenacker" und erreichte (anstelle Damm nun Wirtschaftsweg) am ehem. Hp Haueneberstein die Neutrasse.  Neue Murgdämme, Flurbereinigung ebnete auch hier alles ein, allenfalls eine "Geländestörung" könnte ein Überrest sein.
Trotzdem überdauert am östlichen Ende der "Urtrasse" die architektonisch denkmalwürdige alte Brücke über einen Bach; der Zugang in diesem lärmumtosten gleichwohl idyllischen Mischwald (Rheintalbahn, A5, B3, Zubringer B462) erfolgt über die entwidmete K3719, nun Waldweg, welche bis zur Ersetzung des nahen BÜ Anfang der 1990er die Verbindung Rastatt - Muggensturm darstellte:

Geländespur Urtrasse? Bahnbrücke von 1844 Sandstein-Gesims


Bei Haueneberstein erhielt die NBS/ABS jüngst hier eine Kurvenbegradigung, auch ein S-Bahn-Hp entstand als Ersatz des einst in den 1980ern aufgegebenen kleinen Hauenebersteiner Bahnhöfles.  In den Jahren 2004-2006 konnten die (Rückbau-) Zustände wie folgt fotografisch festgehalten werden:

Letzter Frühling für km 101,1 ? Mastfundamente... ...und historischer Durchlass im Abbau
Links Schallschutzmauern an NBS - alter BÜ war nur Behelfsweg zur Bauzeit und wird... ...unendlich langsam rückgebaut (2004-2006)

 

 

Baden-Baden

Wo wir doch schon mal da sind:  hier ist (war) das Geld, hier ist die Vergangenheit und auch die Relikte.  Die weltbekannte Kurstadt mit Römerbad und Casino hatte bereits 1844 ihre Station Baden-Baden West (im Ort Oos) an der Großherzoglichen Staatsbahn erhalten, ein Jahr darauf sogar ihre gut vier Kilometer lange Stichstrecke zum Stadtbahnhof.  Der zweite, denkmalwürdige Bau von 1896 diente nach seiner Stillegung 1977 als Fernsehstudio und sah Ende der 1990er die umstrittene Vereinnahmung durch das Millionending Festspielhaus.  Der bis heute vom ICE bediente Bahnhof im später eingemeindeten Oos hat viele Namen gesehen (Baden-/Baden-/Oos etc.), ist selbst aber auch zweite Wahl, war doch die alte Station West 700m weiter südlich an der (heutigen) Güterbahnhofstraße, die ursprüngliche Trasse mit Kurve von Süden ist schon lange Zeit die Ooser Bahnhofstraße während die spätere Trasse mit Anbindung aus Norden entlang der Oos, entlang des Parks Oos-Aue reizvoller Spazierweg, großteils aber Radweg parallel zur breiten Einfallschneise B500 geworden ist...
Gegenüber des Rheintalbahnhofs war lange Zeit der Flughafen Baden-Oos (einst Luftschiffhafen, Luftschiffhalle zwischen 1919 und 1926 mit "ehem." in Karte bezeichnet); er musste 1997 weichen, als nach Abzug der Kanadier vom nahen Platz Söllingen dieser zum Baden-Airpark Verkehrsflughafen konvertiert wurde.  Heute gibt es neben riesigem Gewerbegebiet zwar noch einen Segelflugplatz, die alte Zufahrt "Flugstraße" - einst bis zur Aufgabe des BÜ Teil der alten B3 - ist rekultiviert worden nach den durchgeführten Großbauvorhaben NBS und neue (hier dritte) bahnparallele B3.

Oos: Gleisrest und Beginn der "Stadtbahn" Kurve erst wüst mit Mastfundament
(2.) Bahndamm gen Stadt / Oos-Aue Ex: Landstr, R3, B3, Andienung "Flugstraße"...

 

 

 

Siehe auch Seite Karlsruhe.

 

 

Quellen:
Dank für Bilder an Peter Schöler und Heiko Frey
H-D.Menges / C.Jeanmaire, Mittelbadische Eisenbahnen, Villigen 1973
H.W.Scharf, Eisenbahnbrücken über den Rhein, Freiburg 2003

 

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